«In der kleinen, föderalistischen Schweiz kann man den Wert des Milizsystems nicht hoch genug einschätzen»

Jean-Marc Hensch

Jean-Marc Hensch ist Geschäftsführer Swico. Im Interview verdeutlicht er die Bedeutung des Milizprinzips aus Sicht eines Verbandes und gewährt Einblick in persönliche Erfahrungen im Umgang mit diesem.

Interview: Nicole Wiedemeier und Adrian Michel, Economiesuisse, 2016

Herr Hensch, Swico hat die Regeln und Bedingungen für das Milizprinzip in seinem Verhaltenskodex festgelegt. Wann wurde dies eingeführt?
Unser Verhaltenskodex wurde Anfang 2015 eingeführt, wobei der Publikation ein intensiver Prozess der Entwicklung und Vernehmlassung voranging. Dabei konnten nicht nur verschiedene Gremien, sondern auch alle Mitgliederfirmen ihren Input einbringen. In unserem Verhaltenskodex wird festgelegt, dass Milizträgerinnen und Milizträgern flexible Arbeitszeitlösungen zur Verfügung stehen sollen.

Was sind die Beweggründe für einen Verband, den Umgang mit dem Milizsystem in seinem Verhaltenskodex aufzunehmen?
Es sind im Wesentlichen drei: Erstens sind wir als Verband selbst darauf angewiesen, dass unsere Mitgliedfirmen Mitarbeitende für die Verbandsarbeit zur Verfügung stellen. Zweitens wissen wir genau, dass unser politisches System aufgrund der dezentralen Organisation und der vielen nebenamtlichen Ämter auf das Milizsystem zwingend angewiesen ist. Und drittens profitieren Firmen und Mitarbeitende davon, wenn dank Milizsystem die Wirtschaft und die Gesellschaft – inklusive der Politik – stärker verzahnt sind und besser übereinander Bescheid wissen.

Welche Bedeutung kommt dem Milizprinzip in der Schweiz zu?
In der kleinen, föderalistischen Schweiz kann man den Wert des Milizsystems nicht hoch genug einschätzen. Ohne dieses Prinzip müsste der Staatsapparat stark aufgebläht werden oder aber massiv zentralisiert. Beides macht jedoch in der Schweiz keinen Sinn.

Der Text im Kodex lässt offen, wie viel Arbeitszeit einem Mitarbeitenden für die Ausführung seines politischen Amtes zur Verfügung steht. Wie sieht die konkrete Umsetzung bei den Mitgliedern aus?
Die Umsetzung kann unternehmensindividuell und funktionsabhängig variieren. Da gibt es kein Einheitsrezept. Es gibt Firmen, die sich schwer damit tun. Dagegen gibt es andere, die Milizträgerinnen und Milizträger grosszügig freistellen und sie die Geschäftsinfrastruktur nutzen lassen. Denn sie wissen, dass sie davon letztlich auch selber stark profitieren.

Was raten Sie anderen Verbänden im Umgang mit dem Milizprinzip?
Man muss das Thema offensiv angehen und darüber sprechen. Gerade internationalen Firmen ist nicht unbedingt klar, was im schweizerischen Kontext von ihnen als «Good Citizen» erwartet wird. Das muss man ihnen erklären.

Welche positiven oder negativen Erfahrungen haben Sie mit dem Milizsystem gemacht?
In meinem privaten Umfeld habe ich – allerdings in einer anderen Branche – sehr schlechte Beispiele erlebt. Zum Beispiel ein Chef, der die Wochensitzung partout nicht verschieben wollte. So kam es ständig zum Konflikt mit der Gemeinderatssitzung eines seiner Mitarbeitenden. Andererseits gibt es aber auch Beispiele von sehr grosszügigen Freistellungen – gerade in Schweizer Unternehmen –, die als positive Beispiele zu empfehlen sind.

Über Swico

Swico ist der Verband der ICT-Anbieterfirmen der Schweiz. Er setzt sich als Unternehmensverband für die Interessen seiner Mitglieder in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein und bietet ihnen überdies eine breite Palette von Business-Dienstleistungen. Die über 400 Swico-Mitglieder beschäftigen rund 36‘000 Mitarbeitende und erwirtschaften jährlich einen Umsatz von 20 Milliarden Franken.

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