Dr. Josef Wiederkehr ist Unternehmer und Politiker. Im Interview spricht er über wertvolle Synergien zwischen Wirtschaft und Politik und erläutert den Stellenwert, den das Milizsystem für die Schweiz hat.
Interview: Nicole Wiedemeier und Adrian Michel, Economiesuisse
Herr Wiederkehr, weshalb machen Sie sich in Ihrem Unternehmen für das Milizprinzip stark?
Wiederkehr: Als langjähriger Milizpolitiker ist es mir persönlich ein grosses Anliegen, unsere Mitarbeitende bei der Ausübung öffentlicher Funktionen zu unterstützen. Das Milizprinzip ist eine tragende Säule unseres demokratischen Systems. Deshalb ist es mir wichtig, in meinem Unternehmen eine gute Umgebung zu schaffen, die das Partizipationsverhalten der Mitarbeitenden nicht nur ermöglicht, sondern es auch fördert.
Liegt ein sichtbares Reglement vor oder wird für alle Mandatsträgerinnen und Mandatsträger eine individuelle Lösung erarbeitet?
Da jedes Mandat andere Anforderungen mit sich bringt, versuche ich jeweils gemeinsam mit dem betroffenen Mitarbeitenden, die Situation zu analysieren und individuelle Lösungen zu erarbeiten. In einem Familienunternehmen ist der Kontakt zu den Mitarbeitenden sehr eng, weshalb kein Bedarf für ein standardisiertes Reglement besteht.
Wird die Anwendung des Milizsystems in Ihrem Unternehmen aktiv gefördert oder stellt sich die Firma eher passiv als Unterstützerin zur Verfügung, falls Mitarbeitende den Wunsch dazu äussern?
Wir versuchen, unseren Mitarbeitenden die Möglichkeiten und Chancen des Milizsystems aufzuzeigen und ermuntern sie, sich für öffentliche Mandate zu interessieren. Auch ermutige ich sie immer wieder, sich bei Wahlen als Kandidatinnen oder Kandidaten zur Verfügung zu stellen – zwar nicht immer mit Erfolg. Folgt aber jemand dieser Anregung, versuchen wir unser Bestes, dieses Engagement zu unterstützen. Meist geschieht dies über eine flexible Arbeitszeitregelung.
Sie sind ebenfalls im Milizamt im Kantonsparlament tätig. Gab es bereits Situationen, bei denen Sie aufgrund Ihrer Doppelfunktion in Wirtschaft und Politik in einen Interessenskonflikt geraten sind?
Meine beruflichen Engagements schränken mich in meiner Arbeit als Volksvertreter keineswegs ein. Ganz im Gegenteil: Sie erlauben es mir, bei politischen Entscheidungen auf einen äusserst reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückzugreifen. Als Unternehmer bin ich um eine funktionierende Wirtschaft und gute Rahmenbedingungen für Arbeitnehmende und -gebende bemüht. Denn wenn die Wirtschaft floriert, geht es schliesslich auch der Bevölkerung gut.
Welches sind Ihrer Meinung nach die wertvollsten Synergien zwischen Wirtschaft und Politik, die das Milizprinzip hervorruft?
Bei Berufspolitikern besteht die Gefahr, dass sie eine abgehobene, elitäre Kaste bilden, die von ihrem Mandat abhängig ist. Diese Probleme stellen sich bei Milizpolitikern nicht. Wir stehen selbst mit einem Bein im Berufsleben und können aktuelles Wissen und Erfahrungen aus dem Berufsalltag in politische Prozesse einfliessen lassen. Das ist sehr wichtig. Wir müssen wieder härter daran arbeiten, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Realitäten im Berufsalltag gerecht werden.
Welcher Stellenwert kommt dem Milizsystem in der Schweiz zugute?
Das Milizsystem ist ein wichtiger Bestandteil unseres demokratischen Systems. Dank der Bereitschaft zahlreicher Bürgerinnen und Bürger, neben ihrem Beruf einen weiteren Beitrag zugunsten der Allgemeinheit zu leisten, hat sich die Schweiz zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt entwickelt. Leider gehören Milizpolitikerinnen und Milizpolitiker zu einer zunehmend kleiner werdenden Gruppe. Die steigende Professionalisierung des Parlaments führt dazu, dass Volksvertretende immer schwächer im Volk verankert sind.
Weshalb gibt es Ihrer Meinung nach immer weniger Milizpolitikerinnen und Milizpolitiker in der Schweiz? Bietet das vorliegende Milizsystem zu wenig Unterstützung?
Leider ist es gewissermassen ein Teufelskreis: Je weniger Milizpolitikerinnen und Milizpolitiker offizielle Ämter bekleiden, desto weniger werden die Sitzungen auf die Berufstätigen abgestimmt. Dadurch wird es schwieriger, beides miteinander zu vereinbaren. Ausserdem stelle ich eine sinkende Motivation in der Bevölkerung fest, sich nebenbei noch für Gemeinnütziges zu engagieren. Auch Vereine kämpfen immer stärker mit dem Mitgliederschwund. Aber ich möchte trotzdem betonen, dass das Milizsystem an sich funktioniert und sich über die Jahre hinweg bewährt hat.
Worin liegt Ihr Anreiz, sich der Dreifachbelastung Familie, Beruf und Politik auszusetzen?
Ich habe das grosse Glück, dass ich gesund bin und einen tollen Beruf habe. Mir geht es gut. Das ist nicht selbstverständlich. Deshalb erachte ich es als meine Pflicht, einen Beitrag für das Gemeinwohl zu leisten – sei es im Beruf, in der Politik, im Militär oder indem ich Projekte zugunsten von Menschen unterstütze, die weniger auf der Sonnenseite des Lebens stehen.
Die Josef Wiederkehr AG ist eine moderne und inhabergeführte Bauunternehmung in der vierten Generation. Die Arbeitsgebiete umfassen den Hoch- und Tiefbau, Unterhalts- und Umbauarbeiten sowie Sanierungen. 1976 übernahm die Josef Wiederkehr AG die Bauunternehmung Schildknecht und Harderer. Diese wurde in S+W Bauunternehmung AG umbenannt und agiert seitdem als Tochterfirma für Aufträge im Kanton Aargau.
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