Angel Serna ist Leiter Government and Industry Affairs für die Schweiz bei der Zurich Insurance Group. Im Interview zeigt er auf, welche Unterstützung sein Unternehmen für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in Milizgremien anbietet, wie dieses Angebot nachgefragt wird und wo die grössten Schwierigkeiten bei der konkreten Umsetzung liegen.
Interview: Nicole Wiedemeier und Adrian Michel, Economiesuisse (Das Interview wurde im September 2015 geführt.)
Herr Serna, die Zurich stellt politisch engagierten Mitarbeitenden bis zu 20 Prozent der Arbeitszeit zur Verfügung. Wie gut wird das Angebot nachgefragt?
Die Zurich bekennt sich auf vielfältige Weise zu ihrer Verantwortung als Unternehmen gegenüber der Gesellschaft. Wir verstehen uns als «Corporate Citizen». Und die Zurich bekennt sich als globaler Konzern zu ihren Wurzeln in der Schweiz. Vor diesem Hintergrund unterstützt die Zurich ihre Mitarbeitenden in der Schweiz, die in einem gewählten Mandat Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen. Gegenwärtig machen rund 50 Personen von dieser Regelung Gebrauch, wovon sich die meisten in einem Gremium auf Gemeindeebene engagieren. Selbstverständlich können Mandatsträgerinnen und Mandatsträger unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit von dieser Unterstützung profitieren.
Worin liegt der Anreiz für ein Unternehmen, politisch engagierten Mitarbeitenden diese Möglichkeiten zu bieten?
Als zeitgemässe Arbeitgeberin möchte die Zurich es ihren Mitarbeitenden vereinfachen, ihr gesellschaftliches Engagement und ihre berufliche Tätigkeit zeitlich miteinander zu vereinbaren. Der Anreiz für Zurich als Arbeitgeberin besteht darin, dass diese Mitarbeitenden Wertschätzung und Unterstützung erfahren für ihr Engagement. Wir wollen damit auch einen Beitrag leisten gegen allfällige Gräben zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Die eigentliche Stärke des Milizprinzips besteht ja gerade darin, die persönlichen Erfahrungen und Kompetenzen einzubringen. Wenn es nicht mehr möglich ist, sowohl in einem Unternehmen als auch in einer Behörde Verantwortung zu übernehmen, verlieren wir als Gesellschaft eine wichtige Perspektive auf die politischen Fragestellungen.
Sind die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger frei, wie sie das Arbeitspensum einteilen oder sollte die Abwesenheit nach Möglichkeit stets zur selben Zeit oder am selben Tag stattfinden?
Der Zeitaufwand, die inhaltlichen Vorbereitungsarbeiten und die Sitzungstermine von Milizgremien sind je nach Amt sehr unterschiedlich: Zum Beispiel finden die Sitzungen in kantonalen Parlamenten in der Regel abends statt, während Gemeindeexekutiven halbe oder ganze Tage unter der Woche in Anspruch nehmen. Schulpflegerinnen und Schulpfleger dagegen müssen ihre Schulbesuche zu gesetzten Zeiten durchführen. Die Mitglieder von Stimmbürokommissionen treffen sich jeweils am Sonntagmorgen. Das sind nur einige Beispiele von vielen. Das Ziel ist, dass jeweils eine individuelle Lösung zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten gefunden wird. Bei den 20 Prozent handelt es sich um die maximale Unterstützung, um die Vereinbarkeit zu erleichtern.
Können sich Mitarbeitende, die eine höhere Position im Unternehmen innehaben, überhaupt noch erlauben, nicht Vollzeit bei der Arbeit anwesend zu sein?
Sicher ist das in der Vergangenheit zunehmend schwieriger geworden. Aber ich wage die These, dass es in Zukunft wieder einfacher werden könnte, wenn man es denn will. Die Bedeutung der physischen Präsenz am Arbeitsplatz nimmt ab und wird weiter abnehmen. Gleichzeitig legen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vermehrt Wert auf das Interesse ihrer Mitarbeitenden für das Umfeld und die Gesellschaft, in der sich ein Unternehmen bewegt. Vielleicht lautet die Frage in Zukunft vielmehr, ob es sich Kadermitarbeitende noch leisten können, sich nicht gesellschaftlich zu engagieren.
Worin liegen bei der Umsetzung des Milizprinzips bei Ihnen zurzeit die grössten Herausforderungen?
Erklärungsbedarf haben wir regelmässig bei der Schärfe des Geltungsbereichs, also wann die Unterstützung eingefordert werden kann und wann nicht. Bei Zurich werden ausschliesslich Mandate in gewählten Behörden unterstützt. Bei anderen und nicht minder wichtigen gesellschaftlichen Engagements von Mitarbeitenden – beispielsweise im Samariterverein, in Kirchgemeinden, bei der Feuerwehr oder im Quartierverein – steht diese Art von Unterstützung nicht zur Verfügung. Das mag aus Sicht der Milizförderung unbefriedigend erscheinen. Mit dem Kriterium der Wahl in ein politisches Amt haben wir aber eine klare Regelung ohne Raum für Interpretation und somit gleiche Spielregeln für alle.
Wie wird sich der Umgang mit dem Milizprinzip Ihrer Ansicht nach in Zukunft gestalten? Wo sehen Sie Chancen, Risiken oder Herausforderungen?
Eine Herausforderung für das Milizsystem ist sicher die fortschreitende Professionalisierung von Politik und Verwaltung, insbesondere auch auf Stufe der Gemeinden. Damit steigt das Pensum – beispielsweise als Mitglied einer Gemeindeexekutive – was für viele potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten nicht mit ihrer beruflichen Tätigkeit vereinbar ist. Oft ist es für solche Behörden auf Gemeindeebene bereits schwierig genug, überhaupt Interessenten zu finden. Gleichzeitig besteht genau darin das Risiko, dass die Verwaltung gegenüber der Milizpolitik ihren Einfluss weiter ausbaut. Die grösste Chance für das Milizprinzip sehe ich darin, dass die Wertschätzung für ein gesellschaftliches Engagement wieder im Steigen begriffen ist. Anders gesagt: Früher war in Kaderpositionen eine Nähe zu Politik und Militär selbstverständlich. Heute kann man sich durch ein Engagement für die Gesellschaft positiv von anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern abheben.
Die Zurich zählt zu den grössten Versicherern der Schweiz und ist weltweit ein führender Mehrspartenversicherer mit einem globalen Netzwerk von Tochtergesellschaften und Filialen in Europa, Nordamerika, Lateinamerika, im asiatisch-pazifischen Raum, im Nahen Osten sowie in weiteren Märkten. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 55’000 Mitarbeitende, die Dienstleistungen in mehr als 170 Ländern erbringen. Der Konzern hat seinen Hauptsitz in Zürich, wo er 1872 gegründet wurde.
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