Val-de-Travers (NE): 10‘900 Einwohner

Die Kläranlage wird zum Kraftwerk

2009 fusionierten die neun Gemeinden des Val de Travers (NE) zu einer einzigen Gemeinde. Dieser Schritt vereinfachte nicht nur die Verwaltungsstruktur, sondern gab auch grünes Licht für die Förderung verschiedener Projekte im Energiebereich, darunter die Aufwertung von Biogas. Doch die Gemeinde denkt bereits weiter.

Die Hangars sind fast neu, gut ausgerüstet und betriebsbereit. Hier ein grosser Haufen Grünabfall. Dort ein glänzender Traktor. Weiter entfernt die Kuppel eines Vergärers, der über einen Fermentationsprozess der Grünabfälle Biogas herstellt. Simon Eschler ist von der Thematik der erneuerbaren Energien fasziniert und kennt sich darin bestens aus. Der 34-jährige Geschäftsführer von Agri Bio Val SA wollte schon immer mehr aus Hofdünger, d.h. Mist oder Gülle, machen. «Die ersten Diskussionen haben wir bereits 2004 geführt. Wir verfolgten ein gemeindeübergreifendes Kompostierungsprojekt. Die betroffenen Gemeinden hatten eine Vorstudie in Auftrag gegeben, doch das Projekt wurde schliesslich nicht umgesetzt.» Christian Mermet, Mitglied des Gemeinderats von Val-de-Travers, fügt hinzu: «Vor der Gemeindefusion war jeder Entscheid eine komplexe Angelegenheit, und die Projekte konnten nur mit Mühe finanziert werden. Heute gibt es nur einen öffentlichen Ansprechpartner. Das erleichtert das Lancieren von Projekten.»   

Garantiertes Geschäftsvolumen  

Die Idee, in der Gemeinde Fleurier aus Grünabfällen Biogas zu produzieren und ein Fernwärmenetz einzurichten, setzte Eschler mit der Gründung der Firma Agri Bio Val SA konkret um. Das Projekt liess sich schneller realisieren, weil es von einer Privatperson getragen wurde. «Die Vorstudien haben uns genaue Projektzahlen geliefert. Danach hat uns die Gemeinde ein Mandat für die Verarbeitung ihrer organischen Abfälle erteilt und uns ihre politische Unterstützung zugesichert. Das ist für die Glaubwürdigkeit eines Projektes wichtig», sagt Eschler. 2011 wurde die Baustelle ohne Einsprache auf einem privaten Gelände der Industriezone eingerichtet. «Fukushima und die kostendeckende Einspeisevergütung haben dazu beigetragen, dass das Projekt schneller realisiert werden konnte.» Indem sich die Gemeinde verpflichtete, eine vordefinierte Menge zu gegebenen Tarifen zu liefern, garantierte sie Agri Bio Val ein sicheres Geschäftsvolumen. Diese Verpflichtung war für die Erstellung des Businessplans und die Suche nach einem Investor, in diesem Fall Greenwatt, zu 48,75 Prozent Partner und Tochtergesellschaft des Energieunternehmens Groupe E, wichtig. Das Gesamtprojekt, zu dem die Biogasanlage, die Fernwärmeanlage und ein grosses Photovoltaikdach gehören, wurde zu 100 Prozent von Agri Bio Val finanziert. Es kostete fünf Millionen Franken ohne Mehrwertsteuer, die sich wie folgt aufteilen: 15 Prozent Eigenmittel, 54 Prozent Bankkredite, sieben Prozent Subventionen (davon ein Unterstützungsbeitrag der Schweizer Berghilfe in der Höhe von 60‘000 Franken) und 24 Prozent zinslose Darlehen. Heute wird das Biogas aus der Methanisierung des Hofdüngers (80 Prozent) und der organischen Abfälle (20 Prozent) der Gemeinde, von Privatpersonen oder von Restaurants hergestellt. Das Biogas wird in einer Wärme-Kraft-Kopplung-Anlage verbrannt, mit der Wärme und Strom produziert wird. Ergänzend und sofern nötig werden Holzspäne aus der Umgebung in einem Heizkessel verbrannt, um die Nachfrage in Spitzenzeiten, zum Beispiel im Winter, zu befriedigen. Das Unternehmen profitiert von der verkauften Wärme an die Nutzer und von der Stromeinspeisung ins Netz. Die Arbeiten wurden am 7. November 2011 abgeschlossen. Die offizielle Einweihung fand im Mai 2012 in Fleurier statt. Christian Mermet, 54 Jahre alt, ist schon lange in der Politik. Er wurde 2011 in den Gemeinderat gewählt, als das Projekt in seiner Endphase war, konnte aber bei praktischen Detailfragen zur Sammlung von organischen Abfällen helfen. «Der Impuls der Gemeinde zu dieser öffentlich-privaten Partnerschaft und damit die Unterstützung der privaten Initiativen ist beispielhaft. Das ist kollektive Intelligenz .»   

Eine Dynamik ausgelöst  

Seither spriessen die Projekte im Val de Travers. Vor kurzem wurde in Les Bayards und in Couvet ein Fernwärmenetz eingerichtet. Auf dem Dach des Gemeindeschulhauses steht eine Photovoltaikanlage. In Môtiers wird über ein Ökoquartier mit 90 Wohnungen diskutiert. «Die Société Electrique du Val-de-Travers, die SEVT, will ihre bestehenden Turbinen verbessern, vor allem an der Areuse. Nur schon über diese Modernisierung werden wir 30 Prozent mehr Strom bekommen», sagt Mermet. Heute produziert die Gemeinde 32 Prozent des Strombedarfs ihrer Unternehmen und der 10'900 Einwohner. Das soll sich weiter verbessern, vor allem über die Windkraft. An der kantonalen Abstimmung vom 18. Mai 2014 wurde einem Ausbau des Windparks zugestimmt. «Unsere Vision ist klar: 100 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie. Unsere Gemeinde könnte davon profitieren und sich zum Beispiel an der Finanzierung eines Windparks beteiligen», sagt Eschler. Potenzialanalyse zeigt, dass die Gemeinde jährlich 100 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren und damit 120 Prozent ihres Bedarfs abdecken kann. Das heisst, es könnten 20 Prozent in die nähere Umgebung exportiert werden. «Für die Schweiz mag das ein kleines Projekt sein, für unsere Region ist es aber sehr wichtig. Viele kleine Tropfen machen auch einen Fluss», sagt Mermet. Im Rahmen der Energiewende lohnt sich auch eine Analyse des Eigenbedarfs. Was ist nötig, was ist überflüssig? Die Gemeinde hat deshalb den Stromverbrauch für die öffentliche Beleuchtung durch die Umstellung auf LED oder Lichtdämmung reduziert. Im Bereich Verkehr hat die SEVT die ersten Steckdosen für Elektrofahrzeuge installiert. Die Gemeindedienste wollen für ihren lokalen Bedarf einige Fahrzeuge beschaffen. Im Val de Travers ist eine Euphorie ausgebrochen, die alle Kräfte mobilisiert. Auch Christian Mermet, von Beruf Musiker, ist dies aufgefallen: «Mich interessieren die gesellschaftlichen Themen. Mit unseren Energieprojekten sind wir mitten drin. Dem Gemeinwesen kommt eine wichtige Rolle zu. Wir sind fortschrittlich und stolz auf diese Projekte. Deren Nachteile müssen sich erst noch zeigen.» Simon Eschler, selbst Bauer, ist nicht in einer Familie gross geworden, in der viel über Energiefragen diskutiert wurde. Heute ist er davon begeistert: «In Sachen erneuerbarer Energie leben wir in einer fantastischen Gegend. Wir haben alles. Früher standen wir abseits, niemand nahm Notiz von uns. Heute interessiert man sich für uns. Das ist toll.»

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Kontakt

Christian Mermet
Chef du dicastère du développement territorial ( urbanisme ), de la vie associative et de la culture
Grand-Rue 38
2108 Couvet
Tel. 032 886 43 77
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Zahlen und Fakten

  • Sieben Arbeitsplätze bzw. drei Vollzeitstellen geschaffen
  • Stromerzeugung der Wärme
  • Kraft-Kupplung: 840 MWh/Jahr bzw. der Bedarf von 210 Haushalten.
  • Thermische Produktion aus Biomasse: 1000 MWh/Jahr - Thermische Produktion aus Holz: 700 MWh/Jahr
  • Die Methanisierung spart 680 Tonnen CO 2 , die Fernwärme 260 Tonnen.
 
 
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